Hischier_Raffl

Marco Sturm hat zwar nie den Stanley Cup gewinnen können, aber er hat als Deutscher in der NHL die meisten Spiele absolviert und Punkte geholt. Von 1997 bis 2012 war er in der NHL für sechs Mannschaften aktiv und hat 938 Spiele in der regulären Saison und 68 Playoff Spiele gespielt. Der heutige deutsche Bundestrainer wird in einer regelmäßigen Kolumne exklusiv für NHL.com/de seine Ansichten zu Teams, Spielern und brennenden Fragen teilen.
Hier die neueste Ausgabe:

Ich bin derzeit mit den deutschen Junioren bei der U20-Weltmeisterschaft Division 1 in Frankreich, um U20-Bundestrainer Christian Künast zu unterstützen. Natürlich wäre es schön, wenn wir am Ende des Turniers den Aufstieg in die A-Gruppe feiern könnten, doch das Teilnehmerfeld ist unheimlich ausgeglichen und es werden am Ende Kleinigkeiten den Ausschlag geben.
Wir brauchen eine perfekte Woche, um am Ende ganz vorne zu stehen. Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, aber wenn man ehrlich ist und die Mannschaften in dieser Altersklasse sieht, dann sind wir derzeit vielleicht noch nicht bereit wieder in der Top-Gruppe an den Start zu gehen. Momentan wird es, so wie es aussieht, in den nächsten Jahren ein heißer Kampf für uns und wir wissen, dass sich im Nachwuchs einiges tun muss, um in Zukunft wieder besser mitspielen zu können.
Mit Stürmer Dominik Bokk und Verteidiger Moritz Seider sind zwei talentierte Spieler im Kader, die durchaus Chancen haben bei den kommenden NHL-Drafts ausgewählt zu werden. Ansonsten sieht es derzeit in Deutschland etwas mager aus. Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich zum Beispiel ein Stürmer wie Tobias Eder oder Torhüter wie Mirko Pantkowski bei der WM präsentieren und die Scouts eventuell beeindrucken können.
Mitte November war ich in Nordamerika unterwegs und habe vor allem die deutschen NHL-Spieler besucht. Es war für mich eine gute und auch wichtige Reise. Ich war mit fast allen unserer Jungs in Kontakt. Beim dem Einen läuft es etwas besser und beim anderen nicht so sehr. Von daher waren der Besuch und der Austausch sehr hilfreich und es ist überhaupt sinnvoll regelmäßig miteinander zu sprechen.
Erfreulich für mich war, dass die Arizona Coyotes beim Spiel in Montreal, das ich gesehen habe, den ersten Sieg in dieser Saison einfahren konnten und Tobias Rieder mit unter den Torschützen war. Immer wenn ich das Team und Tobi die letzten Male besucht habe, konnten sie gewinnen und Tobi hat auch ein Tor geschossen. Von daher sollte ich vielleicht häufiger bei ihm vorbeischauen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie bitter es ist mit so vielen Niederlagen in die Saison zu starten und daher habe mich sehr für die Jungs gefreut, die anschließend sogar eine kleine Mini-Serie starten konnten.

Vom Spiel her war es eher ein schwächeres Niveau, wie so einige auf meiner Reise. Eine sehr unterhaltsame Partie aber war zum Beispiel die Pittsburgh Penguins gegen die Chicago Blackhawks. Die letzten vier Tage war ich noch in New Jersey und konnte die Devils etwas intensiver verfolgen.
Nico Hischer hat mir sehr gut gefallen. Er muss natürlich noch einiges an Masse und Kraft zulegen, doch das, was er jetzt schon mit seinen 18 Jahren zeigt, deutet darauf hin, dass er der beste Stürmer der Devils werden wird, wenn er es nicht schon ist.
Man merkt, dass er dabei ist, den intensiven Spielrhythmus der NHL zu erlernen und damit klarzukommen, doch er hat schon jetzt eine unglaubliche Spielübersicht und ist ein sehr intelligenter Spieler. Er bringt sehr viel Ruhe in das Spiel und ist einer, der mit Taylor Hall nahezu perfekt zusammenspielt, was in dessen Karriere bisher nicht unbedingt jeder Mitspieler meistern konnte. Er ist also ein absoluter Glücksgriff für New Jersey.

Außerdem konnte man sehen, dass es neben Hischier sehr viele weitere junge Talente gibt, die zuletzt den Sprung in die NHL geschafft haben. Deswegen sehe ich auch kein Problem darin, falls sich die NHL mit Seattle oder Quebec auf 32 Mannschaften erweitern sollte. Von Seiten der Spieler ist genügend Potenzial vorhanden, damit das Niveau hoch bleibt. Ich denke allerdings, dass sich in den nächsten Jahren hier zunächst nichts tun wird, denn die Aufnahme von den Vegas Golden Knights wurde gerade erst abgeschlossen und die Liga wird sich noch etwas Zeit lassen. Doch in der weiteren Zukunft verkraftet Nordamerika mit seiner großen Fläche und sicher auch die NHL ein weiteres Team.
Im Blickpunkt war zuletzt auch der Österreicher Michael Raffl von den Philadelphia Flyers. Er hatte fast elf Monate keinen einzigen Punkt gemacht und seit seinem ersten Tor am 22. November hat er fünf Treffer erzielt und sieben Punkte verbucht. Wer Spieler oder Stürmer war, der kann bestätigen, dass es ganz normal ist: Wenn der Knoten platzt, läuft es urplötzlich wieder, auch wenn der Zeitraum ohne eine einzige Torvorlage wie hier bei Raffl schon extrem lange war. Das Selbstvertrauen, das häufig zuvor gefehlt hat, kommt zurück und das ist meist schon der kleine entscheidende Unterschied. Man ist ruhiger im Abschluss und die Scheiben kommen wieder auf den Schläger.

Es gibt viele Stürmer in der NHL, die solche Phasen immer wieder einmal durchmachen. Natürlich werden Punkte als wichtiges Kriterium hergenommen, doch im modernen Eishockey müssen Stürmer gerade in den vierten Reihen andere, eher defensivere Aufgaben, wahrnehmen, die ihre Möglichkeiten Punkte zu erzielen mindern. Nichtsdestotrotz möchte ein Stürmer Tore schießen und vorbereiten und wenn es schließlich läuft, dann ist es umso besser.