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Laine: Vom Brausedosen-Schützen zum Weltstar

von Axel Jeroma

Als sich Patrik Laine beim NHL Draft 2016 von seinem Platz im First Niagara Center von Buffalo erhob und zur Bühne schritt, begleiteten ihn einige unsichere Blicke aus dem Publikum. Sollte dieser lange Schlacks mit dem bubenhaften Gesicht wirklich der Patrik Laine sein, der bei der diesjährigen Weltmeisterschaft im finnischen Dress die gegnerischen Abwehrreihen wie kein Zweiter durcheinanderwirbelte? Zumal beim WM-Laine eine wilde blonde Mähne unter dem Helm hervorlugte, der Draft-Laine dagegen mit einem modisch-pomadigen Kurzhaarschnitt auftrat.

Doch der junge Mann auf dem Podium, der stolz das Trikot seines neuen Arbeitgebers, den Winnipeg Jets, entgegennahm und überstreifte, war tatsächlich identisch mit dem WM-Laine. Dem kanadischen Fernsehsender Sportsnet offenbarte er später das Geheimnis seines veränderten Looks: „Das hat bei mir Tradition. Ich lasse meine Haare während der Saison immer wachsen. Nach dem letzten Spiel gehe ich dann zum Friseur.“ Was auch bei dem Jungstar stets einen längeren Gewöhnungsprozess zur Folge hat. „Man schaut in den Spiegel und hat plötzlich so gut wie keine Haare mehr auf dem Kopf. Ein komisches Gefühl. Aber es macht weniger Arbeit am Morgen“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen.

Bei den Jets und ihrem Anhang ist die Vorfreude auf den Außenstürmer riesengroß. Dazu beigetragen haben vor allem seine imposanten Darbietungen bei der Weltmeisterschaft in Russland. Gleich zum Auftakt gegen Weißrussland gelangen ihm zwei Tore und eine Vorlage beim 6-2. Nicht einmal Branchengrößen wie Wayne Gretzky, Mario Lemieux, Sidney Crosby oder Alex Ovechkin hatten das bei ihrem WM-Debüt geschafft. Am Ende zählten die Punktrichter sieben Tore und fünf Vorlagen in zehn Begegnungen für das finnische Ausnahmetalent.

Zum WM-Titel reichte es nicht ganz. Im Finale verlor Finnland mit 0-2 gegen Kanada. Laine durfte sich mit der Silbermedaille und dem Titel des wertvollsten Turnierspielers trösten.

Vor der WM hatte der 18-Jährige mit seinem Klub Tappara Tampere die Meisterschaft der finnischen „Liiga“ gewonnen. In der Hauptrunde kam Laine in 46 Partien auf 33 Punkte (17 Tore, 16 Assists). In den 18 Playoff-Spielen fügte er zehn Treffer und fünf Vorlagen hinzu. Laine bekam den Jari Kurri Award für den besten Spieler der Playoffs. Darüber hinaus wurde er zum Rookie des Jahres in Finnland ernannt. Niemals zuvor waren einem Neuling so viele Punkte gelungen wie dem 1,93m großen Angreifer.

Wenn Laine über die abgelaufene Spielzeit spricht, bekommt er immer noch glänzende Augen. „Der Titelgewinn bedeutet mir viel. Die Jungs hatten zuletzt drei Mal in Folge nur Silber geholt. Deshalb war es für uns alle gewaltig, endlich einmal ganz vorne zu stehen. Jeder von uns hat seinen Teil dazu beigetragen, dass die Saison mit meinem Heimatverein Tappara etwas ganz Besonderes wurde. Ich werde nie unseren Lauf in den Playoffs vergessen“, sagt er.

Die Entwicklung hin zu einem Stürmer formidabler Güte verdankt Laine seinem Vater Harri. Obwohl der nie selbst als Profi spielte, gab er seinem Sohn stets wertvolle Impulse. Unter anderem empfahl er ihm einen Positionswechsel. „Als ich mit vier Jahren angefangen habe, stand ich zunächst im Tor. Klar haben wir als Kinder oft die Positionen getauscht. Aber ich war gerne Torwart und wirklich gut - vielleicht weil ich so groß war“, erzählt Laine. „Als ich 12 Jahre alt war, meinte mein Vater, dass ich mich ein für allemal festlegen sollte. Er hat mir geraten, kein Goalie zu werden. Ich bin froh, dass ich auf ihn gehört habe.“

In den folgenden Jahren wurde im Hause Laine ein erhöhter Cola-Verbrauch registriert. Denn um den Ehrgeiz seines Sprösslings bei den Übungsstunden zu wecken, stellte Harri Laine stets geleerte Brause-Dosen in die Ecken des Tores. Auf die musste Patrik schießen. „Es war nett, feste Ziele zu haben. So ist mir das Training wirklich leichter gefallen. Als ich älter war, hat jeder Schuss auf die Dosen gesessen. Wir mussten jedes Mal neue nehmen“, berichtet er stolz. Die ungewöhnliche Trainingsmethode trug Früchte und begünstigte Laines Karriereweg, der nun in die nordamerikanische Eliteliga führt.

Beim NHL Draft 2016 wurde Laine nach Auston Matthews als zweiter Spieler von einem NHL-Klub ausgewählt. Die Winnipeg Jets sicherten sich die Dienste des Goalgetters und statteten ihn mit Arbeitspapieren über eine Laufzeit von drei Jahren aus. Am 13. Oktober können ihn die Fans das erste Mal im heimischen MTS Centre in der Partie gegen die Carolina Hurricanes bewundern. Zuvor spielt Laine mit Team Finnland noch beim Word Cup of Hockey in Toronto. Er wird vom 17. September bis 1. Oktober ausgetragen.

Nachdem ihre Mannschaft zuletzt die Playoffs verpasst hat, hofft die Jets-Kundschaft auf Besserung in der neuen Saison. Ein möglichst später Friseurtermin von Patrik Laine – idealerweise Ende Mai oder Anfang Juni – wäre ein untrügliches Zeichen dafür.

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