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Über die Jahre hinweg hat sich der Eishockeysport verändert, die Ausrüstung wurde besser, das Spiel wurde schneller, Regeln wurden geändert, und Verstöße, die die Gesundheit des Gegners gefährden, werden härter bestraft. Auf höchstem sportlichen Niveau, sobald die Athleten bis an ihre Grenzen gehen müssen und kein Risiko scheuen dürfen, sind in jedem Sport schmerzhafte Verletzungen nicht zu vermeiden. In kaum einer anderen Mannschaftssportart werden diese von den Protagonisten so schnell weggesteckt wie beim Eishockey. Wer schon einmal einen Puck auf den Knöchel abbekommen hat, und ich rede hier nicht einmal von einem 150 km/h Schlagschuss eines Zdeno Chara, oder den Schläger des Gegners mit der Nase oder den Zähnen gestoppt hat, der weiß 'im Kleinen' ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn man Sternchen zählen gehen kann.

NHL-Spieler sind in jeder Partie hunderte Male der Gefahr ausgesetzt, dass sie sich schwerwiegend verletzen, doch in keiner Sekunde, die sie auf dem Eis stehen, verschwenden sie auch nur einen Gedanken daran. Solche sportlichen Höchstleistungen, wie wir sie jeden Abend zu sehen bekommen, wären anders gar nicht möglich. Jeder Check, ob selbst ausgeteilt oder empfangen, jeder Zweikampf an der Bande oder jeder geblockte Schuss hinterlässt seine Spuren. Jede Unachtsamkeit, sei es fehlende Körperspannung beim Check oder ein zu tief gehaltener Kopf, kann bitter bestraft und im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Partie für einen vorzeitig beendet ist.
Wir 'Normalsterblichen' können nur verwundert die Augen reiben, mit welcher Reaktionsschnelligkeit Spieler gefährliche Situationen erkennen und instinktiv das Richtige machen. An dieser Stelle gebührt den Trainern und Betreuern im Jugendbereich der Dank, die jenen Kindern, die sich dazu entschieden haben den Eishockeysport auszuüben, von Klein an nicht nur das Schlittschuhlaufen und den geschickten Umgang mit Schläger und Puck beibringen, sondern ihnen auch lehren, wie man sich am besten schützt.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ist es unvermeidlich, dass es einmal richtig schmerzt oder sich das Eis auf dem Spielfeld rot verfärbt. Wie oft haben wir es schon gesehen, dass ein NHL-Spieler blutend in die Kabine begleitet wurde und nach ein paar Minuten, spätestens nach der Drittelpause, wieder seinem Team zur Verfügung stand. Verspüren Eishockeyspieler keinen Schmerz? Mitnichten, doch der Wille seinem Team weiter helfen zu können ist stärker als die Pein, die man erlitten hat. Man verfolgt ein gemeinsames Ziel, trainiert Tag für Tag hart, um dieses zu erreichen und so lange man seinem Team noch in irgendeiner Weise dienlich sein kann, wird auf die Zähne gebissen - so noch vorhanden.

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Chicagos Verteidiger Duncan Keith verlor sieben Zähne als er in Spiel 4 des Western Conference Finales 2010 gegen die San Jose Sharks von einem Puck getroffen wurde. Er kam zurück und die Blackhawks gewannen die Serie. Gegenüber NHL.com erklärte es Keith kurz und bündig: "Wenn du nicht spielen kannst, dann kannst du nicht spielen. Es waren halt nur Zähne. Solange du glaubst, dass du es durchhältst, dann hältst du auch durch."
Profisportler sind es gewohnt sich zu quälen. Schon manche Trainingseinheiten fordern das Maximum von Körper und Geist eines Sportlers. Und wer in den Stanley Cup Playoffs nicht bis an die Schmerzgrenze geht, hat schon verloren.
Wie es Bobby Baun am 23. April 1964 in Spiel 6 des Stanley Cup Finales gegen die Detroit Red Wings geschafft hat, wieder aufs Eis zu kommen, bleibt jedoch ein Rätsel. Der Verteidiger der Toronto Maple Leafs musste im dritten Drittel nach einem Schlagschuss von Gordie Howe, der ihn am Knöchel getroffen hatte, auf einer Trage verletzt vom Eis getragen werden. Zur Overtime war er wieder mit von der Partie und erzielte das 4-3 Siegtor, wodurch sich die Maple Leafs in Spiel 7 retten konnten, das sie mit 4-0 gewannen. Ihr dritter Stanley Cup Sieg in Folge war unter Dach und Fach gebracht. Anschließend stellte sich heraus, dass sich Baun sein Sprunggelenk gebrochen hatte.
Als sich Boston Bruins Gregory Campbell im Eastern Conference Finale 2013 bei einem Überzahlspiel der Pittsburgh Penguins durch einen Schlagschuss von Evgeni Malkin den Fuß gebrochen hatte, raffte er sich auf und blieb vor Schmerzen krümmend bis zum nächsten Shift auf dem Eis. Nur mit enorm viel Adrenalin im Blut und einem puren Einsatzwillen ist das zu überstehen.

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"Wie kannst du da noch spielen, wenn du nicht auf den Beinen stehen kannst? Das ist schon ein Unterschied", merkte Keith an.
Zuviel Verantwortungsbewusstsein der eigenen Mannschaft gegenüber, kann für die Gesundheit gefährlich enden. An dieser Stelle sind die medizinischen Abteilungen der Mannschaften gefragt. Sie muss Überzeugungsarbeit bei jenen Spielern leisten, die trotz einer gesundheitlichen Einschränkung, ihr Team nicht im Stich lassen möchten. Was nützt es einer Franchise, wenn einer ihrer Aktiven für längere Zeit ausfällt, da er keine Rücksicht auf seine Verletzung genommen hat? Die medizinischen Mitarbeiter müssen entscheiden, ab wann es verantwortbar ist, dass ein Spieler wieder aufs Eis zurückkehrt. Sie arbeiten im Hintergrund und werden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Maple Leafs Trainer Mike Babcock war gegenüber NHL.com International voll des Lobes über die sportmedizinische Entwicklung: "Die Jungs regenerieren heutzutage viel schneller. Die Wissenschaft weiß mittlerweile, dass der Körper auch Auszeiten benötigt, bevor man wieder voll Gas geben kann. Es ist bewiesen, dass dann die Chancen steigen, länger gesund zu bleiben."

New York Rangers Rookie Pavel Buchnevich hat die medizinische Abteilung zu schätzen gelernt, wie er NHL.com International erzählte: "Sie sind ein ganz wichtiger Teil einer Mannschaft. Alleine ist es schwer wieder auf NHL-Niveau zu kommen. Die Mitarbeiter helfen mir beim Wiederaufbautraining und stellen mir einen Plan auf, damit ich wieder meine gewohnte Fitness erreiche."
Es gibt sie jene Spieler, die mit scheinbar übermenschlichen Kräften, sichtlich ihre Schmerzen unterdrücken können. Alle Spieler, die es bis in die NHL geschafft haben, verdienen unseren Respekt, denn es befindet sich keiner darunter, der ohne persönliche Qualen und Verzicht so weit gekommen wäre.