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Nichts ist im Sport bekanntlich vergänglicher als der Erfolg von gestern. Heute mögen sie bei den St. Louis Blues noch ausgiebig feiern, doch spätestens in den kommenden Tagen, wenn am 21./22. Juni der NHL Draft 2019 und danach am 1. Juli die Free Agency beginnt, wird sich der Blick der Protagonisten auch beim Stanley Cup Champion des Jahres 2019 wieder nach vorne richten müssen.

Nach dem hart erkämpften 4:3-Erfolg in der Serie gegen die Boston Bruins, kann das Ziel für die neue Saison, die im Oktober beginnen wird, selbstverständlich nur Titelverteidigung heißen. Alles andere wäre ein Rückschritt, und den will in einer Leistungsgesellschaft, zu der die NHL selbstverständlich mit dazugehört, niemand.
Eine große Herausforderung für jede Meistermannschaft, denn der Stanley Cup gilt gemeinhin als die Trophäe in der Welt des Sports, die am schwersten zu erringen ist. 82 Spiele der regulären Saison und 16 Siege in den Playoffs sind ein hartes Programm.
Erst acht Teams gelang es seit Beginn der sogenannten Expansion-Ära im Jahr 1967 ihren Titel in der NHL zu verteidigen. Zuletzt waren die Pittsburgh Penguins bei diesem Vorhaben erfolgreich. Mit den Superstars Sidney Crosby und Evgeni Malkin schafften sie es, den Cup in den Jahren 2016 und 2017 zu erringen.

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Blickt man in der Sporthistorie etwas weiter zurück, dann finden sich in dieser besonderen Kategorie zudem die Detroit Red Wings in den Spielzeiten 1997 und 1998. Doch das liegt inzwischen schon über 20 Jahre zurück.
1992 waren es ebenfalls die Penguins, die seinerzeit unter der Führung von Jaromir Jagr und Mario Lemieux den Titel aus dem Vorjahr wiederholen konnten. Das war es dann schon in Sachen zweier direkt aufeinanderfolgenden Meisterschaften innerhalb der vergangenen 30 Jahre.
Diese kurze Aufzählung zeigt, wie ambitioniert das Vorhaben in neuester Zeit ist, den Stanley Cup gleich zwei Mal hintereinander zu gewinnen. Die Blues werden es trotzdem angehen, wenn sie nach der Sommerpause wieder ins Training einsteigen.
Für sie spricht, dass der Kader durch die extreme Saison, die hinter ihm liegt, gestählt ist. Am 2. Januar 2019 ganz am Tabellenende platziert, Mitte Juni dann plötzlich der neue Champion. Noch nie zuvor gab es im professionellen Sport in Nordamerika ein derartiges Comeback. Einen bemerkenswerteren Beweis für die Reife des Teams kann es nicht geben.
Zudem haben sich mit Meistertrainer Craig Berube und auch Torhüter Jordan Binnigton im Verlauf der gerade abgelaufenen Runde zwei echte Anführer herauskristallisiert, die bis Ende 2018 niemand dafür auf dem Zettel gehabt haben dürfte.
Das Ende der Entwicklung dieses Kaders scheint nicht abzusehen zu sein. Dass die Mannschaft mit allen Kontrahenten der Liga mehr als gut mithalten kann, das hat St. Louis ja in den vergangenen Tagen und Wochen seit Playoff-Beginn erst frisch bewiesen.
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Der Kern des Teams wird in jedem Falle zusammenbleiben. Die Prominentesten Unrestricted Free Agents dieses Sommers in Reihen der Blues sind Stürmer Patrick Maroon, Verteidiger Carl Gunnarsson, Offensivkraft Chris Thorburn und Defensivspezialist Michael Del Zotto. Zudem wird unter anderem Torhüter Binnington zum Restricted Free Agent. Bei aktuell rund 18 Millionen US-Dollar Reserve bis zur Obergrenze des derzeitigen Salary Caps von 83 Mio. US$, kein Zustand der einen Verantwortlichen allzu sehr beunruhigen müsste.
Selbst wenn die Konkurrenz um den Cup seit dem vorletzten Jahr mit aktuell 31 Teams so groß ist wie nie zuvor, die Blues wollen und werden das Unternehmen Titelverteidigung, nachdem sie über den Sommer frische Kräfte gesammelt und den Kader an einigen Stellschrauben zudem marginal nachgebessert haben, mit viel frischem Schwung und Elan angehen.
Welch komplexer neuen Situation sie sich dann stellen müssen, das verdeutlichte im Vorjahr Washington Capitals Stürmer Alex Ovechkin, der vor Beginn der Spielzeit 2018/19 in einem Pressegespräch anmerkte: "Alle wollen uns jetzt schlagen und werden gegen uns besonders motiviert sein. Doch wir werden bereit sein, werden unser Spiel spielen. So wie bisher. Nach der Meisterschaft wissen wir ja jetzt, wie es geht, was wir zu tun haben, um am Ende Erfolg zu haben."

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Teamkamerad T.J. Oshie ergänzte damals: "Wir müssen uns in der kommenden Runde in jedem Spiel immer wieder völlig neu beweisen, müssen zeigen, dass wir der aktuelle Titelverteidiger sind, den es für die Konkurrenz erst einmal zu bezwingen gilt. Gegen uns werden die Anderen natürlich stets besonders motiviert sein. Doch darauf werden wir uns einstellen. Das wird die kommende Herausforderung für uns sein. Wir sind jetzt die Messlatte für die Konkurrenz. Das muss uns natürlich von Anfang klar sein. Wenn uns das gelingt, dann sehe ich gute Chancen für uns im kommenden Frühjahr wieder erfolgreich zu sein."
Dass das, trotz allen Bewusstseins ob der anspruchsvollen Ausgangslage am Ende nicht geklappt hat, wissen wir jetzt.
Der Tendenz, nach einem großen sportlichen Erfolg eventuell die entscheidenden paar Prozentpunkte in Sachen Leistungsbereitschaft nachzulassen, wie es schon so vielen Teams zuvor passiert ist, der will sich auch der neue Champion aus St. Louis ab sofort entschieden entgegenstellen.
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Entscheidend könnte dazu die Frage sein, an welchen personellen Stellen etwas frischer Wind in den Kader kommt und ob das beim erst frisch zusammengewachsenen Team der Blues überhaupt erforderlich sein wird. Das zu beurteilen fällt von außen naturgemäß schwer. Hier ist das richtige Gespür der Klubführung gefragt.
Die Wahrscheinlichkeit einer Titelverteidigung von St. Louis im kommenden Frühsommer erscheint in Anbetracht der Bilanzen der vergangenen Jahre aktuell nicht sehr wahrscheinlich.
Aber wenn es ein Team geschafft hat aller Erwartung und Wahrscheinlichkeit in den vergangenen Monaten ein Schnippchen zu schlagen, dann war es der frisch gebackene Titelverteidiger.
Warum also sollte das Vorhaben Trainer Berube und seinem Team nicht noch einmal gelingen?