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An jedem Montag der Spielzeit 2017/18 wird NHL.com/de an dieser Stelle nach Themen suchen, welche etwas abseits des täglichen Spielgeschehens liegen und jene Punkte beleuchten, welche den Puls der Liga im Hintergrund bestimmen. Sportliche Krisen, ein intensiverer Blick auf die aktuellsten Themen der NHL, grundsätzliche Entwicklungen die derzeit diskutiert werden. Wir sorgen dafür, dass nichts davon unbeachtet bleibt.
Heute die jüngste Entwicklung bei den Montreal Canadiens.

Was ist da derzeit nur in Montreal los? Die ruhmreichen Canadiens konnten von den ersten acht Spielen der Saison lediglich ein einziges gewinnen. Sie stehen mit drei kümmerlichen Zählern derzeit am Tabellenende im Osten. Von allen Teams in der NHL sind derzeit nur die Arizona Coyotes schlechter aus den Startlöchern gekommen als der Serienchampion vergangener Jahre, der 1993, vor fast einem Vierteljahrhundert, seinen letzten Stanley Cup-Gewinn feiern konnte.
Es ist eine bittere Enttäuschung für die traditionell stets erwartungsfrohe und sehr ambitionierte Anhängerschaft des Clubs aus der frankokanadischen Metropole. So langsam hat die Zeit der Vertröstungen und Ausreden im Umfeld der Franchise wohl auch ein Ende. Die aktuellen Berichterstattungen über das Team und die in ein paar Fan-Foren geführten Diskussionen offenbaren, dass sich so langsam Frust, teilweise sogar schon so etwas wie Panik, bei den zahlreichen Beobachtern breitmacht. Zumindest bei denen, die es mit den 'Habs' halten.
Nach dem schwächsten Start in der langen Franchisegeschichte des Teams, kristallisieren sich vor allem drei Kernprobleme heraus: Die Torhüterposition, die Abwehr und die Torausbeute. Klingt nach einem ziemlichen Totalschaden in der Zwischenbilanz. Und ein Blick auf die Statistiken bestätigt diesen auch.

Carey Price hat aktuell große Probleme. Das lässt sich nicht bestreiten. Doch das Team ist grundsätzlich um ihn herum aufgebaut worden. Eine Fangquote von unter 90% und ein Gegentorschnitt von über 3,5 nach seinen ersten sechs Auftritten sind wahrlich nicht das, was von ihm erwartet wurde. Schon die Saisonpremiere auf heimischem Eis ging für Price gründlich daneben. Beim 1:3 gegen die Blackhawks musste er bei 25 Torschüssen des Gegners gleich drei Gegentreffer schlucken.
Auch bei den anschließenden Niederlagen hatte er nicht gerade einen seiner besten Tage. Er übernahm bereitwillig die Verantwortung für die Pleite gegen die Maple Leafs aus Toronto. In San Jose agierte er zumindest unglücklich. Das 1:6 Debakel gegen die Washington Capitals, als Price vier Gegentore alleine im ersten Drittel zulassen musste, spricht für sich selbst.
Keine guten Zahlen für einen Keeper, der in den Augen vieler noch immer als der beste seiner Zunft weltweit gilt. Doch er kann es eben auch nicht alleine stemmen.
Die gesamte Defensive lässt ihren Torhüter in den letzten Tagen und Wochen einfach viel zu häufig im Stich. Das Team hat noch nicht wirklich zusammengefunden. Claude Julien hat seinen Schützlingen bisher noch nicht die Rollen zuweisen können, welche er sich für sie vorstellt.
Die Stürmer müssen mit in der Defensive arbeiten, sie müssen die Verteidiger unterstützen. Das ist aktuell viel zu selten zu erkennen.

Price

Auch wenn Victor Mete ein vielversprechendes Talent sein mag, Shea Weber immer noch seine Qualitäten auf das Eis bringt, das Defensivsystem der Canadiens hat noch nicht ein entsprechendes Niveau nachweisen können, das nötig wäre, um mit den Gegnern mithalten zu können.
Price war zuletzt zu häufig auf sich alleine gestellt, da der Gegner seine Vorderleute immer wieder viel zu leicht hat aussteigen lassen können. Nicht wenige Beobachter wünschen sich daher einen neuen Top 4-Verteidiger für die Franchise aus der Eishockeymetropole. Rund neun Millionen Dollar sind noch innerhalb der Salary Cap-Obergrenze verfügbar.
Die 'Habs' könnten einen an der Scheibe starken Verteidiger tatsächlich gut gebrauchen. Einen der die Scheibe gut von hinten herausspielen, und der die Spitzen mit einbinden kann. Auch die geringe Torausbeute nervt derzeit viele Fans sehr.
Eine Tordifferenz von 13:33, also von -20, ist einem Team, welches zum erweiterten Favoritenkreis für das kommende Frühjahr gezählt wurde, schlicht unwürdig.
Gerade in den Schlüsselmomenten einer Begegnung verstanden es die Jungs von Julien nicht in das Netz des Gegners zu treffen.
Nach acht Spielen führt Jonathan Drouin mit zwei Toren und drei Assists die teaminterne Offensivwertung an. Zuletzt blieb er jedoch auch zwei Mal in Folge ohne eigenen Zähler. Max Pacioretty, der Top-Torjäger vergangener Jahre, hat bis heute lediglich einen einzigen Treffer in der Zwischenbilanz auf seinem Konto.

Der Rest der Offensive fand so gut wie gar nicht statt. Schon im Vorjahr war der Torabschluss ein grundsätzliches Problem für die Franchise. Es scheint sich über den Sommer nicht verbessert zu haben. Ganz im Gegenteil.
Durch den Trainerwechsel im Vorjahr, von Michel Therrien hin zu Claude Julien, hat sich das strategische Verhalten vor dem Tor zwar verändert, Therrien ließ dem Team häufig aus der Entfernung den Torabschluss suchen, Julien erwartet dagegen eher Kombinationen bis direkt vor den Kasten des Gegners, doch das Resultat blieb das gleiche - zu wenige Tore.
Besonders viel Kritik entlädt sich aktuell gegenüber Kapitän Pacioretty. Das ist nicht immer fair. Schließlich hat er in den letzten drei Jahren über 100 Tore erzielen können. 64 davon wurden jedoch von seinen inzwischen ehemaligen Mitspielern Andrei Markov (30), P.K. Subban (25) und Nathan Beaulieu (9) vorbereitet.
Bevor das Management des Teams einen spielstarken Verteidiger neu verpflichtet, der die Stürmer wieder deutlich besser mit einzubeziehen weiß, werden sich die unzähligen Fans und Sympathisanten der Habs noch länger in Geduld üben müssen.
Die Verunsicherung von Team und Fans wird bis dahin weiter zunehmen, wenn kein Wunder geschieht. Jedoch sind diese auch im Sport bekanntlich sehr selten. Will man es am Ende des Jahres noch in die KO-Runde schaffen, dann sollten entsprechende Entscheidungen nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.
General Manager Marc Bergevin und seine, ihn in Sachen Kaderplanung unterstützenden Kollegen können die Saison mit einigen klugen Entscheidungen jetzt vielleicht noch retten, schließlich ist erst rund ein Zehntel der Hauptrunde absolviert. Doch zu viel Zeit sollte man nicht mehr ins Land ziehen lassen, damit die laufende Saison in Montreal mit einem Happy End endet.