Ausnahmen kanadischer Vorherrschaft
von Bernd RoeschBei internationalen Turnieren, in denen sie mit Bestbesetzung antreten können, gelten die Kanadier immer als der ganz große Favorit. Eishockey ist mit Abstand Kanadas Nationalsport Nummer 1, auch die meisten Spieler in der NHL stammen aus dem Mutterland des Eishockeys. Keine andere Nation kann in der schnellsten Mannschaftssportart der Welt so viele Erfolge vorweisen wie Team Canada. Fünfmal gewannen sie bei Olympischen Spielen Gold, 25 Mal wurden sie IIHF-Weltmeister und 2004 gewannen sie den World Cup of Hockey.
So ist es auch wenig verwunderlich, dass für die kanadischen Eishockeyfans seit jeher nur der erste Platz etwas zählt, ob bei Olympischen Winterspielen, beim World Cup of Hockey oder bei dessen Vorgänger, dem Canada Cup. Doch Siege sind keine Selbstläufer und so konnten im Laufe der Geschichte immer wieder andere Nationen den Kanadiern einen Strich durch die Rechnung machen.

Vier der fünf von 1976 bis 1991 ausgetragenen Canada Cups konnten die Gastgeber für sich entscheiden. Nur im Jahre 1981 setzte es für die Kanadier eine herbe 1-8 Schlappe im Finale gegen die damalige Sowjetunion, die mit einem herausragenden Vladislav Tretiak im Tor angetreten war. Im letzten Vorrundenspiel hatten die Kanadier, dank fünf Treffer zwischen der 45. und 52. Spielminute, die UdSSR noch mit 7-3 bezwingen können, doch im Endspiel versagten dem von Scotty Bowman betreutem Team die Nerven und zu allem Unglück hatte auch noch ihr Schlussmann Mike Liut von den St. Louis Blues einen rabenschwarzen Tag erwischt. Als bester Spieler des Turniers wurde schließlich Tretiak ausgezeichnet und im All-Star Team standen neben dem 'Mann mit den 1000 Händen' mit Alexei Kasatonov und Sergei Shepelev noch zwei weitere Russen.
In den folgenden drei Canada Cups, bei denen das Finale im Best-of-three Modus ausgetragen wurde, gaben sich die Kanadier keine Blöße mehr:
Schweden, das 1984 mit Hakaan Loob den Toptorjäger des Turniers stellte, die UdSSR (1987) und die USA (1991) zogen jeweils im Finale den Kürzeren.
Durch den Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zusammenbruch der Sowjetunion verabschiedete sich in den Folgejahren Russland als stärkster Konkurrent der Kanadier. Diesen Platz nahm als ein Nachfolger Kanadas südlicher Nachbar, die USA ein. Den ersten World Cup of Hockey im Jahre 1996 konnten die US-Boys mit 2-1 Siegen für sich entscheiden. Schon in der Vorrunde hatte die USA die favorisierten Kanadier mit 5-3 Toren bezwingen können. Wie das Aufeinandertreffen in der Vorrunde, fand auch das erste Finalspiel im CoreStates Center, dem jetzigen Wells Fargo Center, von Philadelphia statt.

Doch diesmal behielten die Ahornblätter mit einem 4-3 Sieg nach Verlängerung durch ein Tor von Steve Yzerman die Oberhand. Die von Ron Wilson betreuten Amerikaner mussten nun unbedingt zweimal gewinnen. Die weiteren Finalpartien waren in Montreal angesetzt und somit trauten nur Wenige dem US-Team jene Sensation zu, die folgen sollte: Die US-Amerikaner gewannen Spiel 2 und Spiel 3 jeweils mit 5-2 Toren und gingen als erster Gewinner des World Cup of Hockey in die Geschichte ein. Rangers Schlussmann Mike Richter wurde als wertvollster Spieler des Turniers ausgezeichnet.
Auch im All-Star Team fand sich kein Kanadier wieder, dieses komplettierten die US-Amerikaner Chris Chelios, Brett Hull, John LeClair sowie die beiden Schweden Calle Johansson und Mats Sundin.
Zwei Jahre nach dem Sensationssieg der Amerikaner unterbrach die NHL erstmals in ihrer 80-jährigen Geschichte ihren Spielbetrieb, um ihren Spielern die Möglichkeit zu geben an Olympischen Winterspielen für ihre Nationen teilnehmen zu können. Die großen sechs Eishockeynationen, Kanada, Schweden, USA, Tschechien, Finnland und Russland, konnten also mit Bestbesetzung in Nagano 1998 antreten.
Für die beiden Finalgruppen waren die 'Big Six' bereits gesetzt. Team Canada und die Sbornaja schlossen die Gruppenphase ungeschlagen, wie erwartet als Tabellenerste ab, doch in den folgenden Finalspielen erwies sich mit Tschechien ein Außenseiter als Spielverderber. Die Tschechen rissen zuerst im Viertelfinale die USA (4-1), im anschließenden Halbfinale Kanada (2-1 SO) aus dem Traum nach Gold und bezwangen im Endspiel denkbar knapp mit 1-0 Toren auch noch die russische Auswahl. Zum Helden der Tschechen avancierte Ausnahmetorwart Dominik Hasek.
Auch beim anstehenden World Cup of Hockey 2016 sind die Kanadier erster Anwärter auf den Sieg, doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass sie bei großen Turnieren darauf keinesfalls ein Dauerabonnement haben.