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Mike Sullivan ist gerade nicht zu beneiden. Der Trainer der Pittsburgh Penguins hat eigentlich eine klare Nummer 1 im Tor: Matt Murray. Doch in den vergangenen Wochen macht sich Tristan Jarry immer mehr daran, Murray den Rang abzulaufen. Erst recht nach seinen Leistungen in den letzten zwei Partien.

Jarry ist seit 144 Minuten und 51 Sekunden ohne Gegentor. Sowohl gegen Titelverteidiger St. Louis Blues am Mittwoch als auch am Freitag gegen die Arizona Coyotes hat er seinen Kasten sauber gehalten. Gegen die Blues verbuchte er 28 Saves, gegen die Coyotes 33. In elf Spielen kam der 24 Jahre alte Kanadier in dieser Saison zum Einsatz. Neunmal kassierte er zwei Tore oder weniger. Und das spiegelt sich auch in den Statistiken wider. Sein Gegentorschnitt pro Spiel liegt bei 1,81, seine Fangquote bei 94,3 Prozent. Beides sind Top-Werte.

ARI@PIT: Jarry verbucht zweiten Shutout der Saison

Murray ist dagegen noch nicht so richtig in Form gekommen. Mit 2,84 Gegentoren im Schnitt pro Spiel kassiert er gut einen Treffer mehr als sein Konkurrent. Und auch seine Fangquote ist mit 89,7 Prozent unter den Werten, die er bislang in seiner NHL-Karriere vorzuweisen hat. Dabei hatte es im Oktober für Murray eigentlich gar nicht so schlecht ausgesehen. Sieben Siegen standen drei Niederlagen gegenüber. Doch im November ging er lediglich bei zwei von zehn Starts als Sieger vom Eis. In sieben Partien kassierte er drei oder mehr Tore. "Er hatte einige Aufs und Abs in dieser Saison", meinte Sullivan. Murray hätte einige gute Momente und einige starke Paraden gehabt. Allerdings seien auch ein paar weniger glückliche Situationen dabei gewesen.
Und auf einmal sieht es so aus, als ob sich Murray in der gleichen Situation befindet wie vor ein paar Jahren, als er sich ein Duell mit Marc-Andre Fleury um den Posten der Nummer 1 im Kasten der Penguins geliefert hat. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Damals war Murray der Herausforderer und hatte nichts zu verlieren. Jetzt ist er auf einmal in der Position, die Fleury damals hatte. Jarry ist sein Herausforderer und setzt ihn mit starken Leistungen gehörig unter Druck. Die Geschichte zwischen Fleury und Murray endete damit, dass die Penguins Fleury im Expansion Draft an die Vegas Golden Knights verloren.
"Er hat extrem gut gespielt und hat sich die Einsätze verdient", sagte Sullivan über Jarry. Sullivan erhob Jarry nach dem Spiel gegen die Coyotes sogar in den Stand des besten Akteurs in Unterzahl bei den Penguins, nachdem sein Goalie mit teilweise spektakulären Paraden die gegnerischen Schützen zur Verzweiflung gebracht hatte. In sechs der letzten sieben Spiele hat der Coach der Penguins auf den 24-Jährigen gesetzt und Murray harten und unbequemen Platz auf der Bank zugewiesen. Der Übungsleiter weiß um die Brisanz der Situation. "Natürlich haben wir das große Ganze im Blick", betonte Sullivan. Allerdings ginge es kurzfristig eben drum, Entscheidungen zu treffen, um Spiele zu gewinnen. Und da gibt ihm der Erfolg ja auch Recht.

STL@PIT: Jarry stoppt alle 28 Schüsse der Blues

Der Held der Stunde in Pittsburgh gibt sich dagegen bescheiden. "Ich wollte einfach nur jeden Tag besser werden. Das war vom Start der Saison weg mein Fokus", sagte Jarry. Er liebe Pittsburgh, liebe es, dort zu spielen. "Es ist super. Die Fans unterstützen uns immer. Es macht jedes Drittel Spaß, raus aufs Eis zu gehen."
Die Pittsburgh Penguins haben Jarry 2013 in der zweiten Runde an insgesamt 44. Position im Draft gezogen. Danach spielte er noch zwei Saisons in der Western Hockey League (WHL) bei den Edmonton Oil Kings. Zur Saison 2015/16 kam er schließlich zu den Penguins, wurde aber zunächst ins AHL-Farmteam, den Wilkes-Barre/Scranton Penguins, geschickt. In dieser Spielzeit bekam er auch zum ersten Mal die Gelegenheit, NHL-Luft zu schnuppern, als Fleury und Murray mit Verletzungen zu kämpfen hatten und er als Backup fungierte. Am 9. April 2017 gab er sein Debüt in der NHL im letzten Saisonspiel der Penguins, die damals 2:3 gegen die New York Rangers verloren. Danach war er in elf Playoff-Partien der Ersatzmann von Fleury, bevor Murray wieder gesund wurde. Seinen ersten Sieg in der NHL feierte Jarry am 25. November 2017 mit einem 5:2 gegen die Tampa Bay Lightning. Sechs Tage später hatte er seinen ersten Shutout, ein 4:0 gegen die Buffalo Sabres.
Gut zwei Jahre später scheint es so, als ob Jarry drauf und dran ist, sich in der besten Liga der Welt zu etablieren. Die Leistungen in den vergangenen Wochen sprechen eindeutig für ihn. "Ich versuche, bereit zu sein, wann immer ich gebraucht werde. Ich will sicher sein, dass ich mein Bestes gebe - im Training und im Spiel", sagte der 24-Jährige. Sein Vorteil: Er hat gerade mal 40 Spiele NHL-Erfahrung. Das heißt, die gegnerischen Stürmer kennen ihn noch nicht so gut, hatten noch nicht die Gelegenheit, seine Schwachpunkte herauszufinden. Es wird interessant sein zu sehen, wie er reagiert, wenn er zum ersten Mal eine schwächere Leistung abliefert.
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Allerdings sollte man nicht den Fehler machen, Murray schon abzuschreiben. Auch in der vergangenen Saison hatte der im November/Dezember eine kleine Formkrise. Casey DeSmith bekam von Sullivan kurzzeitig den Vorzug. Doch Murray kämpfte sich wieder zurück. Er weiß also, mit solchen Situationen umzugehen.
Mike Sullivan und General Manager Jim Rutherford haben derweil ein ganz anderes Problem: Beide Torhüter werden am Ende der Saison Restricted Free Agents. Und beide sind mit 25 (Murray) beziehungsweise 24 (Jarry) noch jung, haben die besten Torhüterjahre vermeintlich noch vor sich. Murray belastet den Salary Cap der Penguins mit 3,75 Millionen US-Dollar, Jarry lediglich mit 675.000 US-Dollar. Es wird spannend sein, zu sehen, für welche Lösung sich die Penguins dann entscheiden. Beide Keeper behalten? Nur einen behalten? Wenn ja, welchen? Jarry ist jedenfalls gerade auf dem besten Weg, gute Argumente für sich zu sammeln.