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Die Nachricht schlug am Mittwochnachmittag in Toronto und der gesamten NHL ein wie eine Bombe. Explosionsartig verbreitete sie sich, dass die Toronto Maple Leafs ihren Trainer Mike Babcock nach über vier Jahren Arbeit freistellen und der bisher nur in Fachkreisen bekannte Sheldon Keefe die Geschicke hinter der Bande der anspruchsvollen Franchise in der kanadischen Metropole übernimmt. Der neue Trainer kommt vom Farmteam der Maple Leafs, den Toronto Marlies aus der AHL.

Die Mannschaft befindet sich gerade mitten in einer sechs Spiele dauernden Auswärtsreise und tritt am Donnerstag (Fr. 3 Uhr MEZ; NHL.tv) bei den Arizona Coyotes an. Auch logistisch gesehen kommt der Wechsel im von Toronto circa 3400 Kilometer entfernten Phoenix überraschend.
Keefe musste Hals über Kopf seine am Mittwoch im Spiel gegen Laval geforderten Marlies zurücklassen und unmittelbar die weite Anreise auf sich nehmen, um rechtzeitig zum Spiel einzutreffen und erstmals die Maple Leafs zu coachen.
Begleitet wurde er von Team-Präsident Brendan Shanahan, der sich verpflichtet sah, Babcock die Entlassung persönlich und nicht am Telefon mitzuteilen, nachdem er den zweifachen Goldmedaillengewinner mit Team Canada 2010 und 2014 und Stanley Cup Sieger 2008 mit den Detroit Red Wings eingestellt hatte.
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Shanahan und General Manager Kyle Dubas hatten sich mit der Thematik bereits ein paar Wochen beschäftigt, wie der Präsident bestätigte. "Es war keine einfache Konversation", betonte Shanahan. "Es machte kein Vergnügen. Aber wir fühlten, dass es wichtig für den Klub wäre und wenn man erst einmal realisiert, dass es etwas gibt, was man tun sollte und tun muss, dann ist es das Beste auch zu handeln."
Babcock erreichte eine durchaus respektable Bilanz von 173-133-45 in fünf Spielzeiten mit Toronto und qualifizierte sich mit der Mannschaft in der vergangenen drei Jahren jedes Mal für die Stanley Cup Playoffs. Doch in der ersten Runde, zwei Mal gegen die Boston Bruins in sieben Spielen (2018, 2019) und einmal gegen die Washington Capitals in sechs Spielen (2017), kam das frühe Aus.
Die Maple Leafs sind auch bedingt durch längerfristige Verletzungen von Kapitän John Tavares und Stürmer Mitch Marner weit unter den Ansprüchen in die neue Saison gestartet und liegen nach 23 Spielen mit 22 Punkten (9-10-4) nur auf dem 5. Platz in der Atlantic Division.
Der Abstand zu den Wildcard-Plätzen beträgt zwar lediglich zwei Punkte, doch Toronto hat bereits bis zu fünf Spiele mehr als die Konkurrenz absolviert. Seit sechs Partien warten sie auf einen Sieg (0-5-1) und verloren zum Beginn ihrer Auswärtsreise am Samstag bei den Pittsburgh Penguins mit 1:6 und am Dienstag bei den Vegas Golden Knights mit 2:4.

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"Unser Spiel hat nicht wirklich unsere Erwartungen erfüllt", analysierte Shanahan. "Wir machen viele Fehler in der Defensive, die Aufmerksamkeit für die Details ist nicht da. Und sogar die Offensive, die explosive Offensive, für die unsere Mannschaft bekannt war, vermissen wir schon einige Zeit."
Jetzt liegt es an Keefe die hohen Erwartungen in Toronto zu erfüllen. Die Maple Leafs haben letztmalig 1967 den Stanley Cup gewonnen und sind das Team, welches am längsten von allen auf eine NHL-Meisterschaft wartet.
Die bittere Zeit von 2005 bis 2016, als die Maple Leafs kaum konkurrenzfähig waren und in dieser Spanne nur einmal, in der durch den Lockout verkürzten Saison 2012/13 die Playoffs erreichten, ist zwar vorbei, doch durch spektakuläre Neuzugänge und nicht zuletzt der Verpflichtung von Babcock als Erfolgstrainer hegten viele Fans schon lange Träume.
Der 39-jährige Keefe ist in der NHL relativ unbekannt, allerdings arbeitete er in den unteren Ligen schon sehr erfolgreich. Es muss abgewartet werden, ob er das auf der großen Bühne NHL mit entsprechenden Medieninteresse und dem Trainieren von Stars bestätigen kann.
In seinen fünf Jahren als Trainer der Marlies führte Keefe sie zwei Mal zur besten Punktzahl in der regulären Saison (2015/16, 2017/18) und gewann die Calder Cup Meisterschaft in 2018. Auch in dieser Saison liegen die Marlies mit 25 Punkten (11-2-2-1) in 15 Spielen auf dem ersten Platz in der North Division und haben den besten Punkteschnitt aller AHL-Teams.

Sheldon Keefe 5.21 ahl

"Es gibt viel Arbeit für Keefe zu tun und viel Arbeit gibt es auch für die Spieler", verdeutlichte Shanahan. "Und sie haben das verstanden, aber wir glauben wirklich an sie. Wir glauben an die Spieler, die wir hier haben. Wir glauben natürlich auch an Sheldon, haben die Entscheidung deswegen getroffen."
Keefe kennt aus seiner Zeit bei den Marlies bereits einige Spieler wie die Stürmer Zach Hyman, Kasperi Kapanen, Trevor Moore und William Nylander, Verteidiger Travis Dermott und Torhüter Kasimir Kaskisuo. Das wird ihm die Aufgabe, schnell zurecht zu kommen, etwas erleichtern.
"Wir sind weiterhin optimistisch, dass wir zurück in die Spur finden", ist Shanahan überzeugt. "Wir sind der Meinung, dass es Sheldon verdient hat. Wenn man seine Bilanz anschaut, die Anzahl der Spieler, die bei den Maple Leafs sind und für Sheldon bei den Marlies gespielt haben, die Arbeit, die er für uns verrichtet hat, Spieler zu entwickeln. Er war in vielen Belangen erfolgreich."
Ob er diese Erfolgsserie auch in der NHL fortsetzen kann, muss sich die nächsten Wochen und Monate zeigen. Mit Babcocks Assistenten Paul McFarland und Dave Hakstol muss er das Schiff erst einmal wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern und das gelingt nur mit Siegen.
Das Interesse an den Maple Leafs mit ihrer Fanbasis und dem entsprechenden Medienrummel in der eishockeyverrückten Stadt ist immens. Aber auch mit den Marlies war er schon direkt in Toronto tätig und kennt diesen Rummel zumindest aus dem Hintergrund.
Was sich viele von Babcock erhofft haben, geht nun ein relativ unerfahrener Trainer an. Den Stanley Cup nach über 52 Jahren endlich wieder nach Hause zu holen, nachdem er unmittelbar in die Nähe, unweit der Heimspielstätte Scotiabank Arena, fast das ganze Jahr über in der Hockey Hall of Fame ausgestellt ist.