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Die wohl wichtigste Entscheidung für die spätere sportliche Laufbahn von Philipp Grubauer, Torhüter der Washington Capitals, fiel vor 14 Jahren und damit lange bevor ihn Coach Barry Trotz als Starter für Spiel 1 der ersten Runde der Stanley Cup Playoffs gegen die Columbus Blue Jackets nominierte. Mit 12 legte sich Grubauer nämlich endgültig auf die Position zwischen den Pfosten fest, nachdem er es in den sechs Jahren zuvor zwischendurch auch als Verteidiger versucht hatte.

"Ich wechselte immer wieder hin und her. Im Grunde habe ich von diesem Perspektivenwechsel sogar enorm profitiert, weil ich mich dadurch in die Lage eines Schützen hineinversetzen konnte. Aber letzten Endes sah ich meinen Platz dann doch im Tor", erzählte der 26-jährige Rosenheimer.
Dass er so spät zu seiner endgültigen Berufung fand, lag zu einem nicht unerheblichen Teil an seinem ehemaligen Jugendtrainer. Der wollte ihn partout nicht als Schlussmann einsetzen. Als der Nachwuchscoach weg war, nutzte Grubauer die Gunst der Stunde und stellte sich in den Kasten. Seine Eltern hatten ihn immer dazu ermutigt, das zu tun, was er für richtig hielt.
Der Entschluss, lieber Tore zu verhindern als zu schießen hat sich für Grubauer und die Capitals ausgezahlt. Zum zweiten Mal lassen sie ihn am heutigen Donnerstag bei einem Playoff-Spiel von Beginn an auflaufen. Er verdrängt Braden Holtby, den Gewinner der Vezina Trophy 2016.

Seinen bis dato einzigen Start in den Playoffs hatte Grubauer in Spiel 2 der ersten Runde 2015 gegen die New York Islanders. Die Capitals hatten ihn kurz vorher von den Hershey Bears, ihrer AHL-Filiale, hochgezogen. Mit 18 Paraden trug er maßgeblich zum knappen 4:3-Erfolg bei.
Für Grubauer macht es keinen Unterschied, ob er in einem Hauptrunden-Match oder in den Playoffs das Tor hütet. "Man muss in beiden Fällen die Pucks abwehren. Klar ist die Bedeutung einer Playoff-Begegnung höher, aber das war´s auch schon", so der deutsche Nationalspieler.
Vor 20 Jahren, in den Playoffs 1998, vertrauten die Capitals ebenfalls auf die Fangkünste eines deutschen Schlussmannes: Olaf Kolzig. "Hoffentlich bringt es Grubi weiter als ich seinerzeit", sagte Kölzig. "Ich stand im Finale. Deshalb hoffe ich, dass er mit dem Team den letzten Schritt macht und Geschichte schreibt."
In seiner Jugendzeit schaute Grubauer leidenschaftlich die Videos von NHL-Spielen, die ihm sein Vater mitbrachte. Daher wusste er sehr viel über Kölzig und das Faible der Capitals für deutsche Keeper. Beim NHL Draft 2001 hatte Washington in der neunten Runde Robert Müller an Gesamtposition 112 ausgewählt. Er stammte wie Grubauer aus Rosenheim. Müller kam allerdings nie in der NHL zum Einsatz und starb 2009 im Alter von 28 Jahren an einem Gehirntumor.
"Zu ihm habe ich stets aufgeschaut. Aus diesem Grund war es etwas Besonderes, als die Capitals mich 2010 als zweiten Rosenheimer gedrafted haben. Ich habe mir vorgenommen, meiner Heimatstadt und meinem Land alle Ehre zu machen", schilderte Grubauer.
Kölzig kannte Grubauer bereits, bevor ihn die Capitals unter Vertrag genommen hatten. Als Co-Eigner von Tri-City in der Western Hockey League verfolgte Kölzig auch die Ontorio Hockey League, in der Grubauer für Belleville und später für Windsor sowie Kingston spielte.

Davor war er bereits in der DEL bei den Star Bulls Rosenheim aktiv. 2008 stand Grubauer für die deutsche U17 bei einem Turnier in Ontario auf dem Eis, bei dem er im Anschluss ins All-Star-Team berufen wurde. Bei der Gelegenheit besuchte er in London einige OHL-Spiele und war sofort von der Atmosphäre infiziert. Deshalb fasste er den Entschluss, Deutschland zu verlassen und sein Glück in Nordamerika zu versuchen.
"Ich dachte mir, dass dies die beste Gelegenheit ist, den Schritt zu wagen. Es passiert ja höchst selten, dass Spieler direkt aus Deutschland von einem Klub der AHL oder der NHL verpflichtet werden", begründete Grubauer die Entscheidung, es über den Weg durch die Minor Leagues zu versuchen.
Beim Canadien Hockey League Import Draft 2008 zog Belleville den Goalie aus Oberbayern an 25. Stelle. 2010 holte ihn der Klub aus Windsor im Rahmen eines Trades. Mit starken Auftritten in den Playoffs sorgte er dafür, dass sich die Mannschaft einmal mehr den Memorial Cup sicherte.
Zwei ehemalige Mitspieler von Grubauer stellen seine Qualitäten heraus. "Gerade in wichtigen Spielen hat er immer viel gehalten. Daran kann ich mich gut erinnern", sagte Taylor Hall von den New Jersey Devils, der mit dem Deutschen einige Zeit bei Windsor verbrachte.
Tom Kuhnhackl von den Pittsburgh Penguins hat ähnliche Erfahrungen gemacht. "Er ist ein absolut zuverlässiger Goalie und besitzt viel Selbstvertrauen. Er hat das zeug zur Nummer 1", sagte Kühnhackl über Grubauer. Die beiden spielten mehrfach in Junioren-Nationalteams zusammen und darüber hinaus beim Qualifikationsturnier für Olympia 2018 in Südkorea.