Andersen steht bei den Hurricanes unter besonderem Druck

Ab Mitte September beginnen in der NHL die Training Camps zur Vorbereitung auf die Saison 2022/23. Vom 1. August an nimmt NHL.com/de in der Serie 32 in 32 täglich ein Team der Liga genauer unter die Lupe. Die zweiteilige Bestandsaufnahme umfasst die wichtigsten personellen Veränderungen, die Schlüsselspieler, die Stärken und Schwächen sowie die Playoff-Chancen.
In dieser Ausgabe: Carolina Hurricanes

In seiner ersten Saison als Mitglied im Team der Hurricanes im vergangenen Jahr strafte Torhüter Frederik Andersen viele seiner Kritiker Lügen. Er lieferte eine hervorragende reguläre Saison mit einer Bilanz von 35-14-3, einem Gegentorschnitt von 2,17 und einer Fangquote von 92,2 Prozent in 52 Einsätzen ab. Das war genau das, was sie sich in Raleigh von ihm versprochen hatten, als sie ihn im letzten Sommer für zwei Jahre und insgesamt 9 Millionen US-Dollar Salär unter Vertrag nahmen.
Leider werden weder Andersen noch das Team der Hurricanes insgesamt die abgelaufene Spielzeit in guter Erinnerung behalten. Das lag nicht nur am unerwünscht frühen Aus in den Stanley Cup Playoffs gegen die New York Rangers, als sie in der zweiten Runde mit 3:4 in der Best-of-7-Serie unglücklich scheiterten, sondern auch an der Tatsache, dass der bis dahin so stark aufspielende Goalie in den entscheidenden Wochen fehlte. Andersen hatte sich im April unglücklich am Knie verletzt und daher danach nicht mehr aktiv auf dem Eis eingreifen können.

Ähnliches: [Die Analyse der Carolina Hurricanes]
Reguläre Saison 2021/22: 54-20-8, 1. Platz in der Metropolitan Division
Stanley Cup Playoffs 2022: 3:4-Niederlage in der 2. Runde gegen New York Rangers
Trainer: Rod Brind'Amour, 5. Saison
Top-Zugänge: D Brent Burns, F Max Pacioretty, F Ondrej Kase, D Dylan Coghlan, F Lane Pederson
Top-Abgänge: F Vincent Trocheck, D Tony DeAngelo, F Nino Niederreiter, F Max Domi, F Steven Lorentz, D Ian Cole, D Brendan Smith, F Derek Stepan
"Die Verletzung war hart. Es war sehr frustrierend, wo ich doch so gut drauf war", erklärte Andersen auf der Saisonabschluss-Pressekonferenz. "Über den Zeitrahmen meines Ausfalls gab es zunächst keine genauen Aussagen. Ich habe einfach versucht, möglichst schnell wieder fit zu werden. Leider hat es vor Saisonende nicht mehr geklappt. Jetzt tue ich alles, um zum Saisonstart wieder vollkommen fit zu sein."
Natürlich kann man es einem Spieler nicht verübeln, wenn er durch eine Verletzung außer Gefecht gesetzt wird. Aber Tatsache ist und bleibt, dass er mit seinen Teams in der NHL im Laufe seiner Karriere bislang nur einmal die erste K.o.-Runde überstanden hat, und das war in der Saison 2014/15, als Andersen noch bei den Anaheim Ducks spielte. Kritisch beobachtet wird der Goalie auch, weil er in Reihen der Toronto Maple Leafs im Vorjahr in den entscheidenden Wochen des Jahres seinen Job als Starter an Backup Jack Campbell verlor.
In Raleigh fragen sie sich also, ob sie sich im kommenden Frühjahr wirklich auf ihren auserkorenen Nummer-1-Torhüter werden verlassen können, wenn die Mannschaft ihren zweiten Stanley Cup nach 2006 erneut anstreben will.
Zwar schafften es die Hurricanes 2021/22 dank der ordentlichen Leistungen von Ersatztorhüter Antti Raanta bis in die zweite Runde der Playoffs und waren nur einen Sieg vom Einzug ins Conference Finale entfernt, aber Raanta ist nicht nur ein paar Monate älter als der 32-jährige Andersen, die Trainer und das Management von Carolina können es aufgrund seiner bisher im Karriereverlauf gezeigten Leistungen und Statistiken vermutlich nicht auf Dauer erwarten, dass Raanta sie ab Oktober während der gesamten regulären Saison und dann auch noch in den folgenden Playoffs als Nummer eins zu einem ernsthaften Titelanwärter machen kann.
Andersen wird deshalb den größten Teil der Last im Tor tragen und die Mannschaft ab Mitte April als Starter durch die Playoffs führen müssen. Dazu braucht Andersen eine optimale Form und gute Gesundheit. "Ich war sehr glücklich, wieder in dieser Form spielen zu können, als die vergangene Saison losging. Beim nächsten Mal hoffe ich natürlich, auch das Saisonende in dieser guten Verfassung aktiv mitgestalten zu können", stellte er klar.
Der verletzungsbedingte Ausfall des Starstürmers und Neuzugangs Max Pacioretty für die nächsten sechs Monate unterstreicht zudem, wie wichtig die Verteidigung für das Franchise in Zukunft sein dürfte. Obwohl Carolina auch ohne Pacioretty trotz der prominenten Abgänge wie den Schweizer Nino Niederreiter über eine respektable Offensive verfügt, wird nur ein gut organisiertes und konzentriertes Spiel in der eigenen Zone und starke Torhüterleistungen, die offensiv ausgerichteten Spielern entlasten.

Viele trauen Raanta das auf Dauer nicht zu. Der Druck auf Andersen ist entsprechend groß. Wenn dieser nicht zu seiner Form aus der letzten Saison zurückfindet oder, was noch fataler wäre, sich erneut verletzt würde, wäre guter Rat teuer.
Andersen braucht in jedem Fall ein sehr gutes Jahr, nicht nur für sein Team, sondern auch für sich selbst. Er wird zur Saison 2023/24 ein Unrestricted Free Agent sein. Sollte er nicht rechtzeitig fit werden und zu der Form vom Saisonstart 2021/22 zurückfinden, die Möglichkeiten auf eine sportlich und finanziell lukrative Zukunft dürften sich rasch signifikant reduzieren.
Und all die zukünftigen Leistungen, die Carolina im Sturm und in der Verteidigung erbringen wird, könnten vergeblich sein, wenn Andersen nicht über längere Zeit konkurrenzfähig ist. Er hat den Vorteil, dass er hinter einer Top-Verteidigung spielen kann, die zudem mit dem Veteranen Brent Burns prominent verstärkt wurde, aber Andersen muss seinen Teil der Aufgabe erledigen, sonst könnte es in Carolina in der kommenden Spielzeit rasch kompliziert werden.