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Auch wenn einige Beobachter rund um die Franchise darüber schon vor der All Star Game-Pause vom Wochenende vorsichtig spekuliert hatten, diese Nachricht überraschte dann doch heute: Ken Hitchcock wurde als Trainer der St. Louis Blues nach der jüngsten 3:5-Pleite gegen die Winnipeg Jets vom gestrigen Dienstag nun kurzfristig entlassen und durch seinen bisherigen Stellvertreter Mike Yeo ersetzt.

Der bis vor wenigen Wochen noch als extremer Glücksfall für die Franchise geltende Cheftrainer kam ursprünglich im November 2011 zu den Blues. Seine Schlussbilanz vom Tage beläuft sich auf 248-124-41 in Spielen der Hauptrunde. Dies bedeutet für ihn immerhin Rang Zwei in der ewigen Bestenliste der Franchise. In den fünf Jahren unter Hitchcock führte er das Team stets auf einen der beiden ersten Plätze der Division.
Der 64-Jährige war zuvor auch für andere Franchises der NHL erfolgreich tätig, aber gleichzeitig stets auch für seinen recht autoritären Führungsstil bekannt, was ihm nicht nur Freunde in der Szene einbrachte.
Von 1996 bis Anfang 2002 war er sehr erfolgreich für die Dallas Stars tätig, gewann mit den Texanern u.a. den Stanley Cup im Jahre 1999 gegen die Buffalo Sabres. Im Jahr 2000 verlor er dann mit seinem Team das große Finale knapp gegen die New Jersey Devils rund um den damaligen Superstar, und heutigen Mitarbeiter in der Blues-Organisation, Martin Brodeur.

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Im Mai 2002 übernahm er die Aufgabe des Cheftrainers bei den Philadelphia Flyers, ersetzte dort Bill Barber. Im Frühsommer 2004 drang er mit dem Team aus der Stadt der brüderlichen Liebe bis in das Eastern Conference Finale gegen die Tampa Bay Lightning vor, unterlag dort allerdings letztendlich mit seinem Team gegen den späteren Titelträger. Im Oktober 2006 wurde Hitchcock nach einem schwachen Saisonstart mit 1-6-1 in Philadelphia entlassen.
Doch erneut war der als hart bekannte Übungsleiter nicht lange ohne NHL-Engagement. Im November heuerte er bei den Columbus Blue Jackets an, ersetzte dort seinen Vorgänger Claude Noel. In der Spielzeit 2008-09 erreichte die Franchise dann mit ihrem erfahrenen Coach erstmalig die Stanley Cup Playoffs. Doch gegen die Detroit Red Wings, seinerzeit noch eine Topadresse der NHL, war man chancenlos, errang nicht einen einzigen Sieg in der KO-Runde. Im Februar 2010 wurde Hitchcock dann auch hier gefeuert.
Im November 2011 trat er die Nachfolge von Davis Payne in St. Louis bei den Blues an. Hier arbeitete er bis zum heutigen Tage, machte aus der Franchise zuletzt einen ernstzunehmenden Titelanwärter in der besten Eishockeyliga der Welt. Die derzeitige sportliche Krise setzte jedoch auch seiner erfolgreichen Aufbauarbeit nun ein unvorhergesehen frühes Ende.
Sein direkter Nachfolger, der erst 43-jährige Yeo, ist aktuell noch in seiner ersten Saison für die Blues tätig, nachdem er die meiste Zeit der letzten fünf Spielzeiten in der NHL als Trainer der Minnesota Wild gearbeitet hatte. Er führte die Wild in der Chefrolle zu insgesamt drei erfolgreichen Qualifikationen für die heißbegehrten Stanley Cup Playoffs. Man erreichte mit ihm zudem dort jeweils die zweite KO-Runde in den Jahren 2014 und 2015.
In 13 seiner 14 Spielzeiten als Headcoach der Liga erreichten die von Hitchcock betreuten NHL-Teams jeweils die Playoffs. Wahrlich keine allzu schlechte Bilanz, möchte man meinen. Kein Wunder also, dass sich auch General Manager Doug Armstrong nach der Trennung betroffen zeigte: "Er ist ohne Zweifel ein Trainer der in die Hall of Fame gehört" beteuerte der nach eigenem Bekunden persönliche Freund von Hitchcock heute. "Doch die Dinge ändern sich im Sport manchmal unvorhergesehen und sehr schnell."
"Wir müssen jetzt rasch sicherstellen, dass nun noch einmal ein frischer Ruck durch das Team geht, damit die Mannschaft wieder zurück in die Spur findet."
Und er ergänzte weiter: "Ich habe ihm unsere Entscheidung letzte Nacht nach dem Spiel mitgeteilt. Das war echt hart. Aber uns fehlte aktuell einfach das letzte Quäntchen Engagement, die völlige Hingabe der Spieler für das Team. Da muss einfach wieder deutlich mehr kommen. Uns fehlte da in den letzten Wochen irgendwie häufig etwas. Es ist schwer zu erklären."
Vermutlich dachte Armstrong dabei auch klammheimlich für sich im Inneren an einen möglichen Ruck im Team, wie ihn jüngst die New York Islanders bei ihrem Trainerwechsel kurzfristig hinbekommen haben, als sie sich jüngst nach mehreren erfolgreichen Jahren von ihrem Chefcoach Jack Capuano trennten, diesen als ihren Cheftrainer durch seinen alten Assistenten Doug Weight in der Verantwortung ersetzten, und seither auf einer regelrechten Erfolgswelle schwimmen, nun sogar wieder von den Playoffs im Frühjahr träumen dürfen.
Auch Yeo gab sich heute noch recht demütig in Richtung seines erfahrenen Vorgängers hinter der Bande: "Ich habe viel von ihm lernen dürfen zuletzt. Und ich bin sehr dankbar dafür. Ich habe mir nicht gewünscht hier heute so in dieser Rolle vor ihnen zu sitzen" meinte er bei seiner Vorstellung vor den Medienvertretern.
"Ich habe jetzt eine große Aufgabe vor mir. Und darauf werde ich mich voll konzentrieren. Wir sind alle unzufrieden damit, wie es zuletzt lief. Wir müssen mehr leisten und bringen, gar keine Frage"
Nach den zuletzt häufig unzureichenden Torhüterleistungen trennte man sich heute übrigens auch vor Torhütertrainer Jim Corsi. Martin Brodeur, bisher der Stellvertreter des GM, und der ehemalige NHL-Goalie Ty Conklin werden sich dessen Job im restlichen Saisonverlauf teilen.

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Ob es den dreien nun im Team gelingen wird einen Geist zu entfachen, wie es zuletzt in Brooklyn bei den Islanders unter Doug Weight gelang, das bleibt erst einmal abzuwarten. Das mögliche und von Spielern ja bekanntlich häufiger gerne mal genutzte Alibi des Trainers hat man den Blues nun erst einmal genommen.
Häufig reicht das ja aus um zumindest kurzfristig einen frischen Schub Energie zu verleihen. Im Sport ist halt viel Psychologie mit dabei, wenn es um Trainerwechsel geht. Doch an der grundsätzlichen, fachlichen Qualität eines Ken Hitchcock kann es garantiert nicht gelegen haben bei den Blues. Denn ansonsten wäre man ja in den Vorjahren unter dem alten Coach nicht so erfolgreich gewesen, hätte sich nicht den bis in das Conference Finale gegen die San Jose Sharks spielen können.
Aber so scheinbar ungerecht ist das eben manchmal auch im Eishockey, im Sport allgemein. Die Erfolge der Vergangenheit werden schneller wertlos als es einem häufig lieb sein kann. Das hat heute auch der inzwischen 64-jährige Hitchcock wieder einmal auf die harte Tour miterleben müssen.