TBL-Rush-from-Bench

Natürlich ist es für eine verlässliche Antwort auf diese Frage noch sehr früh. Die Titelverteidigung der Tampa Bay Lightning, die sich im Stanley Cup Finale 2021 mit 4:1-Siegen gegen die Montreal Canadiens durchsetzten, und damit ihre Meisterschaft aus dem Vorjahr erfolgreich verteidigten, liegt erst wenige Tage zurück. Und doch beschäftigen sich viele Eishockeyfreunde und Journalisten auf aller Welt bereits mit der Frage, ob die Champions aus Florida auch im kommenden Frühsommer erfolgreich ihren Titel verteidigen können.

Drei Meisterschaften hintereinander, das hat es in der modernen NHL seit Jahren nicht gegeben. Zuletzt feierten die New York Islanders zwischen den Jahren 1980 und 1983 sogar vier Titel hintereinander. Ansonsten waren mehr als zwei Stanley Cup Titel hintereinander nicht mehr drin. In dieser zuletzt immer ausgeglichener werdenden Liga mit derzeit 31, demnächst sogar 32 Teams, ist schon ein Titelgewinn am Ende einer langen und extrem fordernden Spielzeit eine große Leistung. Zwei Triumphe in Folge, wie es die Vertretung aus Tampa sie nun bewerkstelligt hat, ist eine gar nicht hoch genug anzuerkennende Errungenschaft. Aber gleich drei Mal in direkter Folge den Stanley Cup in die Höhe stemmen zu dürfen? Das erscheint auf den ersten Blick sehr unrealistisch.
Und doch haben Trainer Jon Cooper, Kapitän Steven Stamkos und ihre Mitstreiter aktuell eine Mannschaft beisammen, der ein weiterer Titel durchaus zuzutrauen wäre, wenn da nicht ein sich anbahnendes Auseinanderfallen des Kaders im Raum stehen würde. Allgemein wird angenommen, dass Probleme mit dem Salary Cap verhindern werden, dass die herausragend harmonierende Mannschaft im kommenden Herbst das gleiche Gesicht haben wird wie in diesem Frühjahr und Sommer.

MTL@TBL, Sp1: Stamkos erzielt PPG, Habs' Serie endet

Dessen waren sich auch die Protagonisten schon im Finale klar. Cooper und einige Akteure gaben direkt am Tag des zweiten Triumphes an, dass die Tatsache, dass dieser Kader so vermutlich nicht zusammenbleiben werde und könne, ein Grund für zusätzliche Motivation in der Postseason gewesen wäre. Es ist aktuell noch völlig ungewiss, ob diese Gruppe in ihrer jetzigen Zusammensetzung zum Trainingsauftakt nach Tampa zurückkehren wird.
Ein größerer Umbruch stand eigentlich schon im vergangenen Sommer an, doch die notwendig gewordene Hüftoperation von Nikita Kucherov verhinderte dies. Durch den Ausfall des Top-Scorers über fast die gesamte Saison hinweg traten die Probleme in Sachen Salary Cap bei den Lightning nicht so sehr zu Tage, dass eine Reaktion darauf erforderlich gewesen wäre.

TBL@MTL, Sp3: Kucherov baut Führung aus

In diesem Sommer kommt erschwerend mit dazu, dass für die Seattle Kraken, dem zukünftigen 32. Team der Liga, ein Expansion Draft durchgeführt werden wird. Tampa wird dabei wahrscheinlich einen der Top-Spieler an den Neuling verlieren. Die Mehrzahl der gefeierten Helden dieser Tage wird in der nächsten Saison zweifelsohne weiterhin mit dabei sein können. Wer genau das aber sein wird und wie viele Helden exakt zurückkehren können, das weiß im Moment niemand. Und genau deshalb ist es auch nicht konkret einzuschätzen, wie groß die Titelambitionen im Klub sein können bzw. dürfen.
"Wir wissen schlicht noch nicht, wie unser Team nächstes Jahr aussehen wird und ob wir alle wieder zusammen sein werden", erklärte Cooper dazu. "Es gibt einige verrückte Umstände, die passieren müssten, damit dieser Kader im Kern vollständig zusammenbleibt. Ich weiß, dass die Jungs das verstehen. Sie wissen das. Und sie sind sich dessen seit Wochen schon bewusst."
Cooper wirkte in diesen Augenblicken, in denen er das Aussprach gefasst und professionell. Und doch schwang eine gehörige Portion Wehmut in seinen Worten mit. Ihm war schon im Moment der erfolgreichen Titelverteidigung völlig klar, dass der ihm zur Verfügung stehende Kader in wenigen Wochen anders aussehen wird.

MTL@TBL, Sp5: Vasilevskiy verhilft Lightning zum Cup

Sicherlich wird dieses Team in der nächsten Saison abermals ein ernsthafter Anwärter auf den Titel sein. Die Lightning werden aller Voraussicht nach ihre absoluten Topstars wie Andrei Vasilevskiy, Victor Hedman, Nikita Kucherov, Steven Stamkos oder Brayden Point nicht an eine andere Organisation verlieren. Und alleine diese Auflistung macht Tampa Bay fast automatisch erneut zu einem ernsthaften Anwärter auf den Stanley Cup.
Aber es gibt aktuell etliche Spieler, über deren Zukunft innerhalb des Klubs offen spekuliert wird. Kernspieler wie Tyler Johnson, Ondrej Palat und Alex Killorn zum Beispiel, die dem Trainer seinerzeit von der American Hockey League in Syracuse in die NHL gefolgt sind, werden durch finanzielle Zwänge vielleicht gezwungen werden in der Saison 2021/22 woanders zu spielen. Zudem gibt es Free Agents wie Blake Coleman und Barclay Goodrow, die die Lightning in der nächsten Saison vielleicht ebenfalls nicht mehr ins Team der Zukunft zurückholen können, weil das Team bereits an der Grenze der Gehaltsobergrenze angelangt ist.
"Es ist nicht so, dass wir eine große Sache daraus machen. Ich denke, wir alle kennen die Realitäten des Sports. Letztes Jahr haben wir es bis zum Titel geschafft und sind dann bemerkenswerterweise nahezu komplett zusammengeblieben, um es noch einmal zu versuchen. Ich glaube nicht, dass sich das, was letztes Jahr über den Sommer passiert ist, wiederholen wird, und ich weiß, dass die Spieler das auch nicht sehen", erläuterte Cooper die Zukunft der Lightning.
Erste Details klären sich bereits am 21. Juli im anstehenden Expansion Draft. Eine Woche später (am 28. Juli) startet dann die Free Agency in der NHL. Danach kann man über die Titelchancen Tampa Bays sicherlich schon mehr fundierte Aussagen treffen. Derzeit lässt sich nur festhalten, dass die Lightning mit Sicherheit einmal mehr zum erweiterten Kandidatenkreis zählen werden. Wie realistisch ein dritter Stanley Cup Triumph aber tatsächlich sein wird, das wird sich vermutlich erst zu Beginn des Trainingslagers abschätzen lassen, wenn der Kader für die neue Saison steht.