Chicago Blackhawks wählen Lukas Reichel als Nr. 17

Es ist der Traum vieler Kinder: Wenn man groß ist, wird man Sportprofi bei seinem Lieblingsteam. Für Lukas Reichel hat sich dieser Traum erfüllt. Der 18-Jährige von den Eisbären Berlin in der Deutschen Eishockeyliga (DEL) hat die Chance, in der NHL für die Chicago Blackhawks zu spielen. Sie haben sich im NHL Draft 2020 die Rechte an dem Stürmer gesichert. An 17. Position wurde er gezogen.

Seit er sechs, sieben Jahre alt gewesen sei, habe er für die Blackhawks geschwärmt, erzählte der gebürtige Nürnberger in einer Online-Pressekonferenz. "Ich habe mir immer die Highlight-Videos von Patrick Kane angeschaut", sagte er. Mit etwas Glück muss er sich die Tricks des Top-Stürmers der Blackhawks bald nicht mehr im Internet anschauen. Dann erlebt er sie hautnah auf dem Eis.
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Gegen Chicago hat er schon mal gespielt, als das Team im Rahmen der NHL Global Series Challenge 2019 in Berlin war. Seinerzeit ging's für die Blackhawks in einem Vorbereitungsspiel gegen die Eisbären. Noch heute schwärmt Reichel davon, was es für eine unglaubliche Erfahrung gewesen sei, gegen Kane und Jonathan Toews zu spielen. "Das war eine große Sache."
"Ich kann's noch gar nicht glauben", sagte Reichel, der nach eigenem Bekunden sehr überrascht war. "Ich hatte zwar mit Chicago gute Gespräche geführt. Die Blackhawks hatten auch Interesse. Ich hätte aber nie gedacht, dass ich an 17. Stelle gedraftet werde, noch dazu von meinem Lieblingsteam." Als er seinen Namen gehört habe, sei das ein unbeschreibliches Gefühl gewesen. In einem Berliner Restaurant habe es mit Familie und Mannschaft eine kleine Draft-Party gegeben. Eigentlich hätten sich die Vertreter der 31 NHL-Teams und die hoffnungsvollsten Talente zum Draft in der kanadischen Metropole Montréal versammeln sollen. Doch wegen der Corona-Pandemie wurde daraus nichts.

reichel family draft

Das Eishockeyspielen ist Reichel in die Wiege gelegt worden. Der Nachname hat in Deutschland und in Nordamerika einen guten Klang. Lukas' Vater Martin spielte in der DEL für die Star Bulls Rosenheim, Nürnberg Ice Tigers und Frankfurt Lions. Mit der deutschen Nationalmannschaft nahm er an einigen Weltmeisterschaften teil. Er ist 1992 in der zweiten Runde an Position 37 von den Edmonton Oilers gedraftet worden. Zu einem Einsatz in der NHL hat es allerdings nicht gereicht.
Das sieht bei Lukas' Onkel Robert schon anders aus. Er kann auf 900 NHL-Spiele verweisen (reguläre Saison und Playoffs). Die Calgary Flames, New York Islanders, Phoenix Coyotes und Toronto Maple Leafs waren seine Stationen in Nordamerika. Die Flames hatten Reichel 1989 in der vierten Runde an 70. Stelle gedraftet. Und auch Robert Reichel hat eine deutsche Vergangenheit: Zwischen 1994 und 1996 machte er 70 Spiele für die Frankfurt Lions in der DEL.
Nun will Lukas Reichel in diese Fußstapfen treten. Er weiß allerdings, dass es bis dahin noch ein weiter Weg sein kann. "Jetzt muss ich erst mal die ganzen Mediensachen hinbekommen", sagte er und ließ durchblicken, dass das Interesse an seiner Person durch den Draft stark zugenommen hat. Und danach werde er nicht aufhören, an sich zu arbeiten. "Mal sehen, wo ich dann lande."

reichel draft uncle

Beinahe hätte er gar nicht mitbekommen, dass er gezogen wurde. "Die ganze Zeit hat das Internet funktioniert. Dann hat's gehangen. Dann habe ich den Draft übers Handy per Livestream weiterverfolgt. Und zehn Sekunden, bevor ich gepickt wurde, ging es wieder. Dann haben wir uns riesig gefreut", berichtete Reichel.
Dass er in der ersten Runde gezogen wurde, gebe einen Schub von Beginn an und zusätzliches Selbstvertrauen. Unterm Strich sei so eine frühe Nennung mehr Ehre als Belastung. Und für den Traum NHL bei den Blackhawks würde er wohl auch den steinigen Umweg über die AHL machen. Doch noch sei alles unklar. "Ich weiß noch nicht, was jetzt passiert. Ich muss erst mal mit dem General Manager reden." Er wisse aber, dass sich sein Leben von nun an verändere. "Aber das war der Traum, darauf habe ich hingearbeitet."
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Grundsätzlich sei er sofort bereit für die ganz große Bühne. Er denke aber, dass er wohl noch ein, vielleicht zwei Jahre brauche. Da wolle er nichts überstürzen.
Einige Medienvertreter in Nordamerika vergleichen ihn schon mit John Tavares. Doch das lässt Reichel nicht so sehr an sich ran. Er weiß, wie er das einzuschätzen hat. "Ich nehme diese Vergleiche als Motivation und empfinde es als Ehre, mit Tavares verglichen zu werden."
Wie es jetzt weitergeht, weiß Reichel noch nicht genau. Der DEL-Start ist verschoben und der Starttermin der NHL ist zunächst einmal für den 1. Januar geplant. "Auch da werde ich wohl noch einen Anruf aus Chicago bekommen. Wenn die Blackhawks sagen, ich soll in den Rookie-Camps spielen, fliege ich natürlich rüber." Es sei eben eine blöde Situation mit Corona. "Man kann nicht mehr machen, als zu trainieren. Wir müssen das Beste daraus machen. Wir werden sehen, wann wieder gespielt wird."