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Jeden Donnerstag während der Saison 2018/19 wird NHL.com/de in der Rubrik "Tete-a-Tete" ein exklusives Interview mit Spielern oder Persönlichkeiten der NHL zu Themen auf und abseits des Eises präsentieren.
In dieser Ausgabe: Marco Sturm, Assistenztrainer der Los Angeles Kings

Seit Februar 2018 zählt Marco Sturm nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer zu den Eishockey-Legenden in Deutschland. Mit dem ehemaligen NHL-Profi an der Bande gewann die Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang sensationell die Silbermedaille. Bei seinem Amtsantritt als Bundestrainer im Juli 2015 lag die deutsche Auswahl am Boden. Mit beharrlicher Arbeit auf seiner ersten Station als Coach hauchte Sturm ihr neues Leben ein. Bei den Weltmeisterschaften 2016 und 2017 zog das Nationalteam jeweils ins Viertelfinale ein. Im Sommer 2017 schaffte es die Olympia-Qualifikation in Südkorea, wodurch der größte Erfolg in der Eishockey-Geschichte des Landes erst möglich wurde. Wenn Sturm rief, war es auch für die deutschen NHL-Spieler eine Ehrensache, das Trikot mit dem Bundesadler überzustreifen.
Gerne hätte der Deutsche Eishockey-Bund mit dem gebürtigen Dingolfinger weitergemacht. Sein Vertrag lief noch bis 2022. Doch durch den Coup bei Olympia hatte Sturm das Interesse weiterer namhafter Arbeitgeber geweckt. Anfang November fragte das Management der Los Angeles Kings bei ihm an, ob er als Assistent von Willie Desjardins mithelfen wolle, die Mannschaft in der NHL wieder auf Kurs zu bringen. Schweren Herzens ließ der Verband seinen Erfolgstrainer ziehen, damit dieser sich mit dem Engagement in LA einen weiteren Lebenstraum erfüllen konnte.
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Sturm kennt die Szene in Nordamerika aus dem Effeff. Als Spieler bestritt er zwischen 1997 und 2012 exakt 938 Hauptrunden-Einsätze für die San Jose Sharks, Boston Bruins, Los Angeles Kings, Washington Capitals, Vancouver Canucks und Florida Panthers. Der Center und Außenstürmer verbuchte 487 Punkte (242 Tore, 245 Vorlagen) und ist damit bester deutscher Scorer aller Zeiten in der NHL. In den Playoffs kamen 68 Auftritte, neun Tore und 13 Assists hinzu.
Im Interview mit NHL.com/de sprach der 40 Jahre alte Niederbayer über seine neuen Aufgabenbereiche und die ersten Wochen bei den Kings.
Wie sieht für dich der Arbeitsalltag bei den Kings aus, verglichen mit deiner Zeit als Bundestrainer?
Das kann man eigentlich gar nicht miteinander vergleichen. Als Bundestrainer hatte ich ein wenig mehr Freiheiten, war viel unterwegs, auch im Scouting-Bereich oder in der Nachwuchsarbeit. Das lag daran, dass wir mit der A-Nationalmannschaft nur vier bis fünf Maßnahmen pro Jahr hatten. Mit meinem Job waren zusätzliche Aufgaben verbunden, die mit dem Sport selbst erst einmal nichts zu tun hatten. Dazu gehörten organisatorische Dinge, bis hin zum Buchen von Hotels und ähnliche Sachen. Jetzt in Los Angeles ist es ein tägliches Geschäft am Eis. Man hat zahlreiche Spiele hintereinander und reist dabei teilweise quer durch Amerika. Darüber hinaus haben sich meine Aufgaben verändert. Ich bin bei den Kings speziell für die Verteidiger zuständig und seit Neuestem auch fürs Powerplay. Als Bundestrainer bist du für alle Bereiche gleichermaßen verantwortlich.
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In Deutschland herrscht ja eine sehr direkte Kommunikationskultur. Spieler wollen bei Entscheidungen mitgenommen werden oder erwarten Begründungen, warum sie nicht eingesetzt werden. Wie läuft das in Nordamerika? Musstest du dich in der Ansprache ans Team umstellen?
Ich denke, es kommt immer auf die jeweilige Person an. Ich versuche immer so ehrlich wie möglich zu sein. Ich mache meine Ansprache an die Mannschaft daher genauso, wie ich sie in Deutschland gehalten habe. Aber klar, das wird in Amerika unterschiedlich gehandhabt, dessen bin ich mir bewusst.
Was ist es für ein Gefühl, wenn du jetzt deinen ehemaligen Schützlingen aus der Nationalmannschaft in der NHL begegnest?
Es ist ein schönes Gefühl. Am Anfang war es noch ein wenig komisch, aber mittlerweile macht es Spaß, wenn ich auf der Bank stehe und die Jungs auf dem Eis sehe. Man kennt sich, man hat viel miteinander gearbeitet und erlebt. Es macht mich stolz, wenn ich sie sehe.
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Gerade weil du sie so gut kennst: Kann man da noch einen besonderen Kniff im Matchplan einbauen oder gibt es durch die detaillierten. Analysen in der NHL sowieso keine Geheimnisse mehr, was Stärken und Schwächen einzelner Spieler betrifft?
Mit den ganzen Videosystemen und Statistiken kann man heutzutage nichts mehr verbergen. Natürlich weißt man seine Mannschaft vor einem Spiel gegen Edmonton darauf hin, was ein Leon Draisaitl gerne macht und stellt sie besonders auf die Top-Reihe mit ihm und Connor McDavid ein. Aber im Großen und Ganzen liegt der Fokus bei der Vorbereitung immer auf dem gesamten gegnerischen Team.
Was sind aus deiner Sicht die positiven Entwicklungen bei den Kings seit deinem Amtsantritt?
Als ich hierherkam, war ich für die Stürmer zuständig. Das hat sich innerhalb von einer Woche geändert. Seitdem arbeite ich wie gesagt schwerpunktmäßig mit den Verteidigern und den Powerplay-Einheiten. Damit war ich anfangs zeitlich ziemlich beschäftigt. Aber die Unterstützung durch meinen Trainer (Willie Desjardins - d. Red.) und die Mannschaft war großartig. Das hat mir sehr geholfen. Was die Situation im Verein generell betrifft, wollen wir uns nicht mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern nach vorne schauen. Es ist wichtig, dass wir den Kopf nicht hängen lassen und weiter hart arbeiten, egal wie die Resultate ausfallen. Wir bauen verstärkt junge Leute ein, was zuvor nicht in dem Maße der Fall gewesen ist und gehen damit einen wichtigen Schritt in die Zukunft. Ich bin sicher, dass unser Weg in dieser Saison noch lange nicht zu Ende ist.
Du hast das Stichwort junge Spieler genannt. Wenn man sich aktuell in der NHL umschaut, hat man den Eindruck, dass sie in ihrer Entwicklung viel weiter sind, als dies in früheren Jahren der Fall war. Vor allem, wenn man Leute vom Schlage eines Leon Draisaitl, Connor McDavid, Nico Hischier oder Jack Eichel anschaut. Würdest du diese These bestätigen?
Bei den genannten Namen handelt es sich um große Talente, die es immer schon gegeben hat. In einigen Teilen trifft die Beobachtung allerdings zu. Die Spieler sind athletischer, schneller und jünger geworden und sie werden früher eingesetzt. Bedingt durch den Salary Cap kommen manche sehr schnell in eine NHL-Mannschaft, egal wie weit sie sind. Es gibt quer durch alle Teams einen enormen Zulauf an jungen Spielern. Das ist im Moment ganz klar ein Trend in der Liga.